Das Leben ist ein Kreis. Zumindest in Kuba. Hier gelangt man nicht weiter als dahin wo man gestern war. Das tönt frustrierend, hat aber etwas ungemein Befreiendes.
Sind die Grundbedürfnisse einmal gedeckt, die Wohnung und Motorrad repariert, gibt es nicht mehr viel was man in Kuba erreichen kann. Man ist sozusagen am „Punkt Zero“, an dem Punkt an dem das Leben im Gleichgewicht ist bevor der Kreislauf von Neuem beginnt. Jetzt kann man das Leben in vollen Zügen geniessen, ausspannen, sich amüsieren bis irgendetwas wieder repariert werden muss. Je schneller man zum „Punkt Zero“ kommt, je mehr freie Zeit hat man (oder man macht es wie die Kubaner und geht direkt zur freien Zeit über). Es gibt keine Weiterbildung, Fitnessziele, Weltrekorde, materielle Bedürfnisse oder Karrierechancen, denen man nacheifern müsste. Man ist frei sich selber glücklich zu machen und hat unendlich Zeit dazu. Freie Zeit, das ist wohl die größte Errungenschaft der Revolution! Zeit mit dem Nachbarn zu tratschen, spannende Leute kennen zu lernen oder einfach dem Müßiggang zu frönen.
Ich nutze meine freie Zeit zum Salsa tanzen wann und wo immer ich kann. Tagsüber nehme ich Privatlektionen bei den besten Tänzern der Insel für ein Taschengeld, am Nachmittag trainiere ich einige Figuren vor dem Spiegel und nachts lasse ich die Tanzflächen Havannas „glühen“. Ich mache das nicht um besser zu werden, sondern einfach weil ich Spass daran habe. Besser als die Kubaner tanzen kann sowieso niemand, schon gar nicht ein Bleichgesicht wie ich. Das ist aber auch egal. Ich genieße es den anderen zuzuschauen, amüsiere mich über flapsige Touristen und lerne von meinen kubanischen Freunden neue Bewegungen. Herrlich!
Die Salsaszene ist im Gegensatz zur landläufigen Meinung sehr klein. In Wahrheit herrscht König Reggeaton auf der Insel wobei den Kubanern grundsätzlich egal ist welche Musik läuft, Hauptsache man kann dazu tanzen. So treffe ich jeden Abend dieselben Leute. Weil das Leben in Kuba aber ein Kreis ist, ist das äusserst angenehm. Niemand versucht der Beste, Stärkste oder Grösste zu sein. In einem Kreis sieht man sich schliesslich mehrere Male. Im Gegenteil, die besten Tänzer tanzen ihre neuesten Schrittfolgen vor, während wir – das Fussvolk – versucht ihnen zu folgen. Sie zeigen uns welche „Pasitos“ in Kuba gerade angesagt sind. Alle sind eine Familie. Jeder grüsst, schwatzt und scherzt vom Türsteher, Kassierer, Garderobenverwalter, Tänzerinnen oder Toilettenputzer. Selbst die allgegenwärtigen „Jineteras“ wissen, dass ich kein „normaler“ Tourist bin. Man grüsst sich, fragt wie das Geschäft läuft und tanzt ein Lied.
So vergeht tag für tag, abend für abend bis mich der „Punkt Zero“ einholt und ich wieder irgendetwas flicken, suchen, organisieren oder ein Visum verlängern muss. So wird es einem auf der Insel nie langweilig – auch wenn man niemals wirklich weiter kommt. Wozu auch, man ist ja bereits auf der Insel der Glückseligen!