Fast wie «The Perfect Storm» – nur George Cloney hat gefehlt! Pünktlich zu meinem Abschied orchestriert der Atlantik einen Sturm, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird. Es ist Samstagabend. Während im Unterhaltungsraum ein Kriegsfilm aus Hollywood läuft, braut sich draussen ein explosiver Wettercocktail zusammen mit Sturmwinden von 160km/h und Seegang von 8+ Meter.
Von der Brücke aus schaue ich dem Showdown der zwei Giganten zu: Atlantik vs. HS Bruckner. Aus der Dunkelheit der Nacht krachen immer grössere Wellenberge auf die Ladefläche des Frachters. Die Gischt spritzt minutenlang über das ganze Deck. Immer wenn die 40´000 Tonnen Stahl des Frachters in ein Wellental abtauchen und einen 8+ Brecher rammen, geht ein raunendes Wummern durch das Schiff, gefolgt von einem erbebenartigen Rucken, das auf der Brücke alle durchschüttelt. Es fühlt sich an wie zwei Güterzüge, die mit voller Wucht aufeinander prallen. Mittlerweile hat Hollywood die Schlacht gegen das Naturspektakel klar verloren, die ganze Mannschaft sitzt ehrfürchtig auf der Brücke. Gestandene Seeleute stehen staunend neben mir. Nach 15 Minuten ist das Licht des Vordeckmastes verschwunden, nach 30 Minuten meldet ein Alarm, das Eindringen von Wasser im Vordeck. Beim Wasser handelt sich um eine minimale Menge, den Stahlmast finden wir am nächsten Tag abgeknickt auf dem Vordeck.
Einmal schleiche ich auf allen Vieren auf die Ausguckplattform der Brücke. In den Windschutz gekauert versuche ich Fotos zu schiessen, doch der Sturm ist zu stark, die Nacht zu dunkel. Der Neigungsmesser zeigt mittlerweile eine Schräglage von jeweils 30 Grad an, das Schiff pendelt total 60 Grad hin und zurück. Als mir in einer ruhigen Minute der Kapitän zu sich zieht und mitteilt, dass wir hier absolut sicher sind, weiss ich endgültig, dass dieser Sturm nichts Alltägliches ist! Bis 3:00 morgens schaue ich dem Spektakel zu, dann gehe ich erschöpft schlafen.
Die Matratze muss ich dazu auf den Kabinenboden legen. Danke lieber Atlantik, das war eine hervorragende Lektion: Selten habe ich mich so klein, unbedeutend und hilflos gefühlt!