Ich fühle mich gerade wie ich mit dem Auto durch die Masoala-Halle fahren würde. Ein absolut geniales Gefühl, zumal ich weiss, dass ich das nicht wirklich tue.
Süßlich, feuchte Tropenluft umgibt mich. Sie ist getränkt mit dem betörenden Duft von Blüten und der leichten Fäulnis von Brackwasser. Sie wirkt auf mich wie eine olfaktorische Wundertüte in der sich tausende von Gerüchen überlagern, ergänzen und um Aufmerksamkeit heischen. Um diese Luft zu riechen ging ich früher jeden Winter mindestens einmal in den botanischen Garten Zürichs. Damals regte der intensive Duft mein Reisefieber an. Jetzt brauche ich nur die Augen zu öffnen und sehe vor mir üppigen, tropischen Regenwalt. Dass ich nicht träume merke ich auch an den Moskitos, die gerade das Festmahl des Jahres genießen: Schweizer „Schokoladenblut“.
Champion – mein VW Transporter – und ich fahren durch den Urwald entlang der bolivianisch-brasilianischen Schmugglergrenze. Die Strasse ist eine rote Schlammpiste mitten durch unberührten Urwald. Einerseits können meine Asthma Lungen nicht genug von der sauerstoffgetränkten Luft kriegen, anderseits fühle ich mich unwohl, weil die Strasse mitten durch unversehrtes Waldgebiet führt.
Die Natur ist von Anfang an einzigartig. Die Strasse weniger, was auch gut so ist. Für die 770 km an die Brasilianische Grenze werde ich zwei Nächte und drei Tage Fahrzeit brauchen was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 h/km entspricht. Seit Stunden habe ich kein Fahrzeug mehr gekreuzt, dafür ist der Urwald voller Tierlaute und Vogelgezwitscher. Ab und zu raschelt es im Urwald. Als plötzlich mitten auf der Strasse eine ausgewachsene Anakonda liegt, weiss ich mit Sicherheit, dass ich nicht alleine bin. Spätestens jetzt wird jede Pinkelpause zum kleinen Abenteuer und davon gibt es bei 36 Grad Aussentemperatur und dementsprechendem Wasserverbrauch viele.
Die Fahrt ist anstrengend, aber kontemplativ. Der Empfang in den kleinen Buschdörfern fröhlich. Zu Essen gibt frisches Huhn vom Grill, dazu tausend Fragen der Einheimischen über meine Herkunft und den Grund meiner Reise. Mein kühles Bier scheint dabei noch in der Flasche zu verdunsten.
Ich übernachte direkt vor der Dorfkirche auf dem zentralen Platz, der eine riesige Wiese mit Pferden und Maultieren ist. In der Abwesenheit von Fremdlicht erschlägt mich der Sternenhimmel wieder einmal. Die Milchstrasse scheint zum greifen nahe. Einzig beim nächtlichen Pinkeln schaue ich ständig zu Boden. Die Anakonda vom Nachmittag ist noch nicht vergessen.
Schon drei Tage später übertrifft sich Mutter Natur abermals. Mittelweile bin ich in Brasilien über die Transpantaneira ins Pantanal gefahren. Das Pantanal ist eines der grössten binnenland Sumpfgebiete der Erde. Die Transpantaneira ist die einzige Schotterstrasse, die über 127 teilweise abenteuerliche Brücken ins Herzen des Sumpfgebietes führt. Nach 145 km holpriger Fahrt und mehreren Wasserdurchquerungen übernachte ich am Endpunkt der Strasse auf einer einsamen Hacienda mitten im Sumpfgebiet. Es fühlt sich an wie das Terrarium aller Zoos dieser Erde zusammen. Eine Herde Wasserschweine steigt aus dem Fluss und nächtigt in Sichtweite des Autos. Soeben watet ein Riesenstorch* seelenruhig vor meinem Kühler durch und schaut quasi auf Augenhöhe durch die Windschutzscheibe. Überall „keucht und fleucht es“. Es ist hier schlicht nicht möglich ein Foto ohne Tiere zu machen**.
Am nächsten Morgen weckt mich ein Konzert von Vogelgezwitscher noch bevor die Sonne aufgegangen ist. Der Fluss ist mit einem Nebelschleier bedeckt und direkt vor mir steigt ein Krokodil aus dem Fluss. Was für ein herrlicher Morgen. Wieso musste ich eigentlich so lange auf diesen Morgen warten?
Wenn du dich etwas beeilen würdest könnten wir uns heute Abend ein Bier in NY genehmigen. Hier hats nicht weniger Tiere (allerdings immer von der selben Rasse) als im Jungle.