Jakobsweg #26, Jenseits der ausgetrampelten Pfade

Heute hatten wir hohen Besuch. Mein «innerer Schweinehund» war zu Gast. Der Plan war früh aufzustehen. Ich wachte auch um 6:45 auf, aber danach muss Einiges schief gelaufen sein. Vielleicht lag es daran, dass ich folgende Fragen alle mit «Ja» beantwortet habe: «Lass uns den Wecker zurückstellen?», «Gehen wir noch einen Kaffee im Zentrum trinken?», «Warten wir etwas länger bis die Socken trockener sind?», «Legen wir uns kurz nochmals hin?». Nachdem all diese Fragen bejaht waren, zeigte meine Uhr bereits 10:30. Die 32 km nach Cajarc konnten eigentlich nur noch mit Hilfe einer Zeitmaschine vor Einbruch der Dunkelheit geschafft werden!

Zum Glück weicht aber der Jakobsweg ständig links und rechts von der Hauptreiserichtung ab. Dabei ist das Muster immer dasselbe: Es geht steil einen Hügel hoch an dessen Ende dann eine verlotterte Kirche oder ein verwittertes Kreuz zur Belohnung auf uns wartet, nur um danach in einem weiten Umweg wieder die alte Richtung einzuschlagen. In den letzten 36Tagen habe ich gefühlte 10´000 Kirchen gesehen und ebenso viele Kreuze, genug um all meine Albträume bis zum Lebensende damit zu füllen. Eigentlich wollte ich nur sagen, dass jeder noch so ungeübte Landkartenleser der mit dem Prinzip der geraden Linie vertraut ist den Jakobsweg auf einen Sonntagsausflug reduzieren kann.

So schaffte ich dann die 9h in 6h und konnte gleichzeitig in Ruhe die Geburtsstadt von Champollion* und ein kleines Schloss besichtigen. Es lohnt sich eben auch auf dem Jakobsweg jenseits der ausgetrampelten Pfade zu gehen.

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* Der Entschlüssler der ägyptischer Hieroglyphen