Afrika #66, Sergio Leone

Upps, das war die falsche Bekanntschaft zum falschen Zeitpunkt. Natürlich freute ich mich am Anfang als der Italiener als einziger Gast in den Schlafraum kam. Italiener bringen schliesslich viel Freude und Emotionen mit sich! Er brachte aber nur ungebetene Gäste und eine Menge Ärger. Doch alles der Reihe nach.

Gestern ging ich früh schlafen. Für einmal schlafe ich wie ein Stein. Sergio Leone hingegen – so nenne ich mal «meinen» Italiener wegen seiner Gabe zuerst zu «schiessen» und dann zu denken – geht um Mitternacht eine Zigarette rauchen. Selbstverliebt wie er ist, tut er dies auf dem Balkon des Schlafsaales just vor den Augen der Schlepper, die normalerweise an der Strassenecke auf uns warten. Als er fertig ist, vergisst er die hölzerne Jalousie zu schliessen, obwohl der Nachtwächter diese demonstrativ vor unseren Augen verriegelt hat.

Der Rest ist dann schnell erzählt. Als ich am Morgen aufwache und auf meinem iPhone die Zeit ablesen will, ist nur noch das Adapterkabel da. Wie vom Blitz getroffen stehe ich auf und stelle fest, dass auch mein Rucksack weg ist. Als ich im Schlafsaal Licht mache, entdecke ich Sergio Leones Kleider quer durch den Schlafsaal am Boden verstreut. Während ich in Unterhose die Situation kurz durchspiele – keine Kleider, kein Geld, kein Pass – pocht der Puls in meiner Schläfe. Zum Glück finden wir fünf Minuten später meinen Rucksack mit Kleider und Pass auf dem Balkon. Meine Wertsachen, iPhone und Kamera sind aber weg. Scheinbar ist einer der Schlepper über die Balkontüre in den Schlafsaal eingedrungen und hat uns ausgeraubt.

Richtig knackig wird die Geschichte aber erst als ich eine Stunde später mein iPhone per Internet lokalisieren kann. Freudig renne ich zur Polizei. Nach geschlagenen 60 Minuten warten hat die Polizei dann endlich Zeit für uns. Als ich dem Kommissar die Position des iPhone auf Google Maps zeige, herrscht verzücktes Treiben im Polizeiposten. Die ganze Belegschaft versammelt sich vor dem PC und benimmt sich wie Höhlenmenschen, die das erste Mal Feuer sehen. Ohne Unterbruch fragt mich der Kommissar verwirrt, ob das Telefon immer noch dort sei. Nach weiteren 30 Minuten kann die Polizei die Adresse identifizieren, obwohl die Strasse keine 15 Fussminuten entfernt ist. Sofort ist ihnen klar wer der Dieb sein muss, denn an der Adresse wohnt ein mutmasslicher Delinquent. Als der. Kommissar dann flüstert, dass es sich um einen «Giri Giri» – ein afrikanischen Geist der durch Wände wandeln kann – geht ein Raunen durch die Reihen und es wird still. Ich kann das Lachen nicht mehr verklemmen. Egal, Hauptsache die Polizei sendet einen Beamten an die Adresse. So verlassen wir den Posten zuversichtlich.

Am nächsten Morgen besuchen wir den Kommissar. Erwartungsvoll blickt er mich an und fragt, ob wir Neuigkeiten haben? Hhhngg, wir liefern ihm die Adresse und Standort des Telefons und er will Neuigkeiten?! Nein, die App, die Diebe auch noch verhaftet ist noch nicht erfunden! Nach einer nachdenklichen Pause teilt mir der Kommissar mit: «Wissen sie, der Verdächtige war nicht zu Hause. Da können wir nichts machen!» Verärgert verlässt Sergio Leone und ich den Polizeiposten nur um von der nächsten Witzfigur auf den Arm genommen zu werden.

Scheinbar hat die Herberge eine Versicherung, die uns bei Diebstahl auszahlen sollte. Der Versicherungsvertreter trägt Hemd, Krawatte und … Flipflop. Er erläutert mir 15 Minuten stolz, dass er in einer richtigen Firma mit Buchhaltung, Rezeption und Verkauf arbeitet. Dann schlägt er mir vor, dass wir dem Hotelbesitzer eine Vollmacht zum Bezug des Versicherungsgeldes ausstellen. Der Besitzer streichelt sich sein Bäuchlein, lächelt und beteuert, dass er ein ganz ganz ganz guter Moslem sei und er uns das Geld bestimmt auszahle. Ehrenwort! Ich fühle mich wie bei «Dick und Doof», bin mir aber noch nicht so sicher wer von beiden «Dick» und wer «Doof» ist. Nachdem wir seinen uneigennützigen Vorschlag lachend ausschlagen, wechselt die Strategie. Der Versicherungsvertreter will für uns persönlich nach Dakar in die Zentrale fahren. Dafür sollen wir ihm eine klitzekleinen Anteil der Versicherungssumme überlassen: 15%. «Klar», sage ich: «Zusätzlich zahle ich Dir noch einen Flug in die Schweiz, da machen Leute wie Du ganz ganz ganz steile Karriere!»*

Bei der Rückfahrt nach Dakar erklärt mir Sergio Leone dann noch, dass wir Schweizer mit unserem Bankgeheimnis für die Steuerhinterziehung in Italien und die Missstände in der Welt verantwortlich seien. Ich schaue ihn mitleidig an: Er ist arbeitslos, hat seine Ausbildung abgebrochen und muss die nächsten Jahre im Italien der nach Berlusconi Ära leben. Nein, Sergio ist genügend bestraft. Ich halte das Taxi an, steige aus und sage dem Chauffeur, dass Sergio die Reise zahlt!

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* Im Nachhinein haben wir erfahren, dass das Geld trotzdem an den Besitzer ging. Wahrscheinlich hat er 20% als Kommission geboten.

5 thoughts on “Afrika #66, Sergio Leone

  1. Marc John

    ein „Ivo Clásico“…

  2. Korhan Özdemir

    scheisse!

  3. Stefania Gabellini

    @Sergio: so schlecht gehts dir nun auch wieder nicht, kannst immerhin in Afrika herumtuckern, das können sich viele deiner Landsleute (die diesen Idioten nie gewählt haben) gar nicht leisten @ivo: pa´lante amigo, auf dem Schwarzmarkt findest du sicher ein neues schickes iPhone, vielleicht sogar dein eigenes…

  4. Erika Jl

    Kribbel, Aggression ….. Und was dazu noch kommt… Nur das Gewehr fehlt!

  5. Thomas Balmer

    Wieder mal eine sehr erfrischende Episode „smile“-Emoticon

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