#119 Cuenca – Insel des Anstandes

Lasst uns Lorbeeren verteilen! Heute möchte ich der Bevölkerung der Anden für ihren vorbildlichen Anstand- und Fleiss danken. Wenn ich hier eine so fabelhafte Zeit verbringe, so ist es einzig und ausschließlich wegen ihnen.

Nun wurde die andine Bevölkerung nicht gerade von der Geschichte verwöhnt: Zuerst wurden sie von den Spaniern unterdrückt, jetzt muss sie korrupte Funktionäre und eine kreole Küstenbevölkerung ertragen, die wenig leistet, sich aber für die Krönung der Schöpfung hält.

Wenn die Anden eine Insel des kultivierten Umganges sind, so ist Cuenca deren Herz. Endlich wieder kultiviert essen, statt nur ernähren; Autofahrer, die für Fussgänger anhalten, statt extra Gas geben: grossartige Architektur statt Schmutz und Lärm; freundliche Bedienung statt absichtlich falsches Wechselgeld.

Es mag vielleicht sein, dass aus Cuenca keine Schönheitsköniginnen kommen, keine Silikonbrüste und aufgespritzten Lippen zu sehen sind, aber was ist erfrischender als ein natürliches Lachen. Dafür besitzen die Menschen was viel wichtigeres: Anstand und Selbstachtung. Im Gegensatz zur Küstenbevölkerung haben die indogenen Völker eine Geschichte und eigene Kultur.*

Ist es nicht gerade der Anstand und die Kultur die uns Menschen zu dem macht was wir sind? Ein kultiviertes Wir statt das egoistische Ich? Doch hier in Cuenca kann ich wieder einmal ausatmen, mit meinem Laptop gefahrenlos in ein Cafe sitzen und ganz Mensch sein! Danke Cuenca, danke ihr gesitteten Einwohner!

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* Gerade die Aufrichtigkeit und Demut der indigenen Bevölkerung in Anbetracht ihrer extremen Armut zeigt, dass Kriminalität nicht immer eine Folge von Armut ist.

One thought on “#119 Cuenca – Insel des Anstandes

  1. Sara Grob

    Hey! Vielen Dank für deine wohltuenden Zeilen. Ich war in Perú am Reisen und habe ähnliche Erfahrungen gemacht. Oft sind es arme, einfache Menschen, die dir das Herz schenken aus ihrer Kultur und somit auch Erziehung heraus. Und genau diese Menschen würde man ja verstehen, wenn sie unanständig mit Anderen, die es besser haben umgehen würden, denn wie oft wurden sie mit Füssen getreten….aber mit Selbstachtung und Anstand verzaubern sie das Gegenüber.
    Danke für deine lebendigen Blogs- ich hänge an deinen Buchstaben 😉
    Sara

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