Bis gestern war mir unklar, weshalb kolumbianische Autofahrer mir am helllichten Tag „lichthupen“. Während ich darüber nachdenke, überhole ich in einem waghalsigen Manöver einen Truck über die durchgezogene Doppellinie. Sekunden später weiss ich weshalb Kolumbianer „lichthupen“. Hinter mir fuhr die Polizei, die mich nun mit Blaulicht an die Seite winkt.
Nach kurzem „Small Talk“ werden meine Dokumente detailliert geprüft wobei mein Schweizer Pass sofort die Aufmerksamkeit erregt. Wie eine Trophäe hält einer den Polizisten den Pass in die Höhe und beginnt vorsichtig darin zu blättern als ob der Schweizer Pass beissen würde. Schon das Signet des biometrischen Pass haut ihn komplett aus den Socken. Zärtlich streichelt er über die Erhöhung. Dann geht der Spass erst richtig los: Den ersten Einreisestempel – aus La Habana, Kuba – begutachtet er mit einem Jauchzer und zeigt ihm seinen Kollegen. Gespannt wie ein Tiger fragt er mich: „Welches Land? Hat es Dir da gefallen?“ Bereitwillig antworte ich. So geht es von Seite zu Seite: Bahamas, Bali, USA, Senegal, … Mein Gott, ich wusste nicht, dass der Schweizerpass so viele Seiten hat. Jedes Mal frohlockt der Polizist und fragt, ob es mir dort gefallen hat. Dann die ganzseitigen Visa von Benin und Togo. Der Polizist kann sich vor Vorfreude kaum erholen! Als ich ehrlich zugebe, dass ich das Visa zwar geholt habe, aber aus Zeitgründen gar nie in den Ländern war sinkt die Stimmung dramatisch. Erst als er das Visum Marokkos in arabischer Schrift findet ist wieder der Bär los. Bereitwillig erzähle ich ihm von meinen Abenteuern in Marokko. Als wir am Schluss des Passes angelangt sind, werde ich ein wenig nervös. Ich weiss, dass die Bussen in Kolumbien ziemlich happig sind*. Der Polizist schaut mich an und fragt: „Was kannst Du mir schenken?“. „Oooh, das kann ja lustig werden“, denke ich nur. Ich stelle mich bereits darauf ein, den heutigen Abend auf dem Polizeiposten zu verbringen, denn ich habe mir fest vorgenommen kein Schmiergeld zu bezahlen. Verzweifelt schenke ich ihm meine Visitenkarten mit meinen persönlichen Angaben. Er schaut mich enttäuscht an. Also füge ich begeistert hinzu, dass ich einen Blog schreibe – mit einer vor allem weiblichen Leserschaft – und gerne über zwei freundliche, gutaussehende und alleinstehende Polizisten schreibe. Der Polizist denkt einen Moment nach, nickt erfreut zu seinem Kollegen und lässt mich laufen!
Später am selben Abend bin ich es der die Polizei aufsucht. Wie immer, wenn es in Kolumbien dunkel wird, suche ich Polizeischutz indem ich mein Auto in der Nähe des Polizeipostens parke. Die Polizei reagiert auf meine Bitte nicht nur freundlich, sondern richtig gehend begeistert. Der Kommandant persönlich stellt sich vor, macht Werbung für sich und seine Truppe. Ich bin nicht ganz sicher, ob er mein Spanisch falsch verstanden hat und nun der Meinung ist, ich wolle mich bewerben. Jedenfalls darf ich am Ende unseres „Bewerbungsgespräches“ auf dem Polizei eignen Parkplatz parken. Zusätzlich stellt er mir die zwei Wachen vor, die die ganze Nacht vor auf dem Parkplatz patrouillieren werden. So schwatze ich angeregt mit meinen Bewachern als einer der beiden fragt, ob ich nicht aus dem Land Roger Federers stamme. Er sei ein grosser Tennis Fan. Vor Aufregung verschluckt er sich fast als ich bestätige, dass ich aus „Rogers Land“ bin. Sofort schaltet er per Videokonferenz seine Mutter zu. Ich erwähne noch, dass ich früher auch Tennis gespielt habe. Im Nachhinein denke ich, das war ein Fehler. Irgendwie ist klar, dass nach mehrmaligem Erzählen aus mir plötzlich Roger Federer werden könnte.
Jedenfalls wisst Ihr was geschehen ist, falls Ihr irgendeinmal in den Nachrichten hört, das Roger Federer seine Karriere beendet hat und nun mit einem VW Bus durch Südamerika tourt …..