#104 Mein erster Arbeitstag

An meinem ersten „Arbeitstag“ in Kuba habe ich grosses vor. Auf meiner Pendenzenliste stehen fünf Aufgaben, die Aufgrund des enormen Umfangs kaum in einem Monat zu bewältigen sind :

  1. Erwerb kubanischer SIM Karte
  2. Kauf einer Batterie
  3. Zahlen meiner Stromrechnung
  4. Download einer Radioempfänger App
  5. Leck am Wassertank meines Nachbars flicken, der aber auf meinem Dach steht.*

Übermütig entscheide ich mich für die schwierigste Aufgabe, dem Gang zur kubanische Telefongesellschaft ETCSA.

7:00 Tagwacht.

8:00 Arbeitsbeginn in der Schlange vor der ETECSA Filiale in Vedado. Mission: Kauf neuer Sim Karte und Eröffnung eines Emails, das per Telefon abgerufen werden kann.

9:20 Ich bin überraschend schnell an der Reihe, nicht aber ohne vorher die üblichen Konfusion des Schlangestehens erlduldet zu haben: Welches ist die richtige Schlange? Wieso gibt es vier Schlangen, aber nur drei offene Schalter? Woher kommen plötzlich all die neuen Leite vor mir in der Schlange?

9:45 Die gute Nachricht: Zu meiner Überraschung kann ich die Sim Karte auf meinen eigenen Namen registrieren. Meine 60-jährige Nachbarin, in dessen Namen ich die Linie kaufen wollte, hätte ich nicht mitnehmen müssen. Die  schlechte Nachricht: Das System zur Eröffnung des Emails läuft nicht. Ich muss deshalb zur ETECSA in Habana vieja fahren. Auch das Gerät zum zurechtschneiden der Macro- zu einer Micro-Sim ist seit Monaten verschollen.

10:30 Liefere meine Nachbarin zu Hause ab und kaufe ihr wie vereinbart ein Pfund gemahlenen Kaffee.

11:20 Umgehe die einstündige Schlange bei der ETCSA in Habana Vieja mit dem alten Fussballertrick: Links antäuschen, rechts durchziehen. Ich behaupte ich will an einem PC kostenpflichtig surfen (keine Schlange) und schleiche mich drin einfach an einen Schalter. Das E-Mail Administrationssystem läuft zwar, ich darf aber als Ausländer kein E-Mail eröffnen. Macht keinen Sinn, ist aber trotzdem so. Wir sind ja schliesslich in Kuba.

12:05 Frage meinen 73-jährigen Parkwächter, ob er mir seine kubanische ID zur Eröffnung des Emails ausleihen kann. Ich verspreche ihm zum Dank eine kleine Flasche Rum.

12:10 Stehe an einer Kasse und will eine Flasche Rum zahlen. Just als ich dran bin legt ein lokaler Stromausfall die Kasse lahm. Also suche ich jetzt einen Laden mit einer mechanischer Kasse. Ehhhhhhmmm, was war schon wieder meine ursprüngliche Mission? Gar nicht einfach in La Habana den Faden nicht zu verlieren!

12:35 Mechanische Kasse gefunden, Rum gekauft, kubanische ID erhalten.

13:20 ETCSA Habana Vieja: Toll, der Fussballertrick funktioniert noch immer. Kann das E-Mailkonto mit dem Ausweis des Parkwächters eröffnen. Ähnlichkeiten mit Personalien oder Foto auf der ID habe ich keine. Macht keinen Sinn, ist aber so. Ist eben Kuba. Nein, das Gerät für die Verkleinerung der Sim haben sie auch nicht, beim privaten Techniker nebenan könne ich die Sim aber zuschneiden lassen.

13:45 Ja, der private Techniker hat das lange gesuchte Gerät zum zuschneiden der Sim. Es ist weniger sophistiziert als erwartet. Es ist eine einfache Papierschere mit der er die Sim zurecht schnippselt. Für seinen Schnitt verlangt er 5 USD und für die Installation des E-Mails auf dem Telefon möchte er nochmals 5 USD. Dafür arbeiten hier andere Leute den halben Monat. Ich zahle 5 USD und nehme den zweiten Teil – die Installation – selber in die Hand.

14:05 Ich lade einer der aufreizenden Kubanerinnen, die auf Touristenfang ist, zu einem Drink ein. Nach einer angeregten Unterhaltung lässt sie mich auf ihrem Telefon die Email Einstellungen von ETCSA nachschauen. Während ich die Rechnung zahle, schreibt sie mir ihre Telefonnummer auf einen Zettel und verabschiedet sich.

14:06 Ich gebe den Zettel mit der Nummer dem Italiener am Nebentisch, der meine Begleitung die ganze Zeit mit Stielaugen angeschaut hat.

14:15 Ein grosser Moment: Ich schreibe mir selbst per Telefon ein Email. Halleluja, nach einigem basteln klappt es tatsächlich!

14:30 Zur Feier des Tages setze ich mich in ein Strassenkaffee und genehmige mir ein Bier. Ich bin stolz auf mich! Ich habe tatsächlich in 6 1/2 Stunden eine Sim gekauft und das Email installiert. Das düfte neuer Kubarekord sein. Während ich den Tag genüsslich in Erinnerung Revue passiere, setzt sich ein älteres französisches Ehepaar zu mir an den Tisch. Ganz aufgeregt erzählen sie mir, dass heute ihr erster Tag in Kuba sei und dass hier alles viel besser als erwartet wäre: Die Läden seien voller Waren, alles schick und modern! Die Menschen so offen und warmherzig. Dann die Quizfrage an mich: „Was halten Sie von diesem wunderbaren Land?“

14:35 Ich gleiche in Gedanken ihre Realität mit meiner ab: 2 Stunden Schlange gestanden,  1 Stunde in lokalen Taxis verbracht , ein Systemabsturz, ein Stromausfall, Hilfe von 3 Personen erhalten und gerne 1 Pfund Kaffee, 1 kleiner Rum und ein Drink verschenkt.

Was soll ich den beiden netten Franzosen jetzt nur antworten?

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* 2) Nach einer Woche Batterie C2032, 3 Volt, gefunden wobei die erste gekaufte Packung leere Baterien enthielt.
3) Rechnung von 0.36 USD, nach 5 Stunden in einer Schlange stehend warten, bezahlt! Bitte lasst uns nie wieder über diesen Tag sprechen!
4) App per Bluetooth von Kubaner transferiert, da zahlbares WIFI zu langsam war um 46 MB runterzuladen.
5) Nach 5 verpassten Terminen mit 2 Sanitären, einen Sanitär in „flagranti“ bei der Arbeit erwischt und per „Ablösesumme“ zur Reparatur meines Tankes gebracht.

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