Kuba #96, Redensarten

«No hay», was so viel heisst wie: «Das gibt es nicht.» Wer nicht spanisch spricht, könnte meinen es handelt sich um eine Grussformel, so alltäglich ist dieser Satz in den Läden Kubas. So eindeutig die Aussage sprachlich sein mag, so mehrdeutig ist sie inhaltlich. Sie kann nämlich folgendes bedeuten:

  • «Gab es nicht, gibt es nicht und wird es in Kuba nie geben.»
  • «Was Du suchst liegt ein Meter vor Dir in der Vitrine, aber ich habe jetzt keine Lust mit Dir zu sprechen, Du doofer Tourist.»
  • «Klar gibt es das, einfach nicht in diesem Typ von Laden.*»
  • «Offiziell nein, wenn Du jetzt aber noch ein paar Dollar über die Theke schiebst, gibt es die Waren wieder.»

Folglich führt jedes «No hay» automatisch zu meiner Gegenfrage, was in gewissen Läden mittlerweile skurrile Formen angenommen hat. Bereits beim Eintreten schreit dann der Verkäufer: «Hallo Tourist, gibt es nicht» worauf ich ihn dann antworte: «Wie viel verlangst Du?» Ein anderer betreibt mit mir das drei Fragespiel: Immer wenn ich komme, darf ich die Schlange überspringen – immerhin 10 Minuten warten – und ihn nach drei Artikeln fragen. Wenn er einen hat, darf ich ihn sofort kaufen.

Eine weiter tolle Redensart ist «Se complico» was in etwa «Es ist was dazwischen gekommen» heisst. Ich beschäftige Momentan zwei bis drei Arbeiter für den Umbau meines Hauses. Mein zuverlässigster Mitarbeiter schafft es 80% der Zeit zur Arbeit zu erscheinen, meistens aber zwei Stunden zu spät. Mein Lieblingsmitarbeiter erscheint 20% der Zeit wobei ich ihn oft 30 Minuten vor Arbeitsbeginn noch am Telefon habe, sich aber dann kurzfristig alles «verkompliziert». Die Ausreden sind dann meist fantasievoll bis haarsträubend und würden alleine ein Buch füllen. Die Wahrheit ist, dass gerade gute Handwerker meistens kurzfristig bessere Angebote kriegen, dann telefonisch nicht mehr erreichbar sind einfach vom Erdboden verschwinden. Tauchen sie dann wieder auf, so reichen wir Arbeitgeber die Angestellten persönlich von Tür zu Tür weiter, damit sie unterwegs nicht mehr verloren gehen.**

Was jetzt anstrengend tönt, ist in Wirklichkeit eher amüsant. Ich pflege mit meinen Handwerkern ein familiäres Verhältnis und häufig trinken wir – nach getaner Arbeit – noch eine Flasche Ruhm. Zumal ich ihnen pro Stunde einen Dollar zahle, darf ich mich auch nicht beklagen***. Im Gegenteil, auch wenn in Kuba manches umständlich ist, so ist meine Lebensqualität gerade wegen ihnen deutlich höher als in der Schweiz.

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* Obwohl alle Läden staatlich sind, gibt es in Kuba unterschiedliche Ladentypen: Bodegas, mercados, tiendas cubanas, tiendas de divisa etc. Sollte ich das Wirrwarr einmal begreifen, erkläre ich es Euch. Ich bin jedenfalls schon so gut, dass die Verkäufer nicht mehr in Gelächter ausbrechen, weil ich – auf die Schweiz übertragen – Fleisch im Computershop nachfrage.
** So haben mich zwei Sanitäre gemeinsam 14-mal auf «mañana» vertröstet, sind aber nie erschienen.
** Wobei – um das klar zu stellen – mein Lohn ein Vielfaches des staatlichen Lohnes und ca. 140% des Marktlohnes im Privatsektor ist.