#132 Die Quintessenz des Reisens

Es ist wichtiger wie man reist als wo man reist!

Reisen besteht grundsätzlich aus zwei Komponenten. Einerseits aus dem Kennenlernen neuer Kulturen und Länder. Anderseits aus dem Vermissen seiner Heimat*. Ich kann das gleiche Land per Rucksack, Auto, Motorrad oder Rad bereisen. Meine Erfahrung wird jedes Mal völlig anders sein. Deshalb ist es wichtig sich genau zu überlegen wie man reisen möchte. Je langsamer, je intensiver. Wer zu Fuss durch die Natur geht, wird zwangsweise mehr sehen. Wer draussen übernachtet, wird seine eigenen vier Wände mehr vermissen. Meinen grössten Respekt geniessen die Radfahrer**, die sich jeden Kilometer hart erarbeiten um danach ohne Dusche im Zelt übernachten. Trotzdem gibt es kein richtig oder falsch. Reisen ist kein Wettbewerb. Jeder bestimmt die Intensität selber!

Persönlich bin ich mit meiner Wahl – dem VW Bus – überaus glücklich: Abenteuer und Lebensfreude zugleich! Der VW Bus ist der Hippie Traum auf Rädern, der Inbegriff der Freiheit und ein Lebensgefühl schlechthin. Kaum eine Strasse die mein VW nicht meistert. In der Grosstadt ist er agil und passt in jedes Parkfeld. Die Mehrheit der Zeit verbringt man draussen: Beim Kochen öffne ich einfach die Heckklappe – die gleichzeitig als Regendach dient – und beim Duschen ziehe ich den Duschschlauch aus der Seitentür und dusche in der freien Natur.

Mit dem VW Bus wird der Weg wahrlich zum Ziel. Die besten Erlebnisse sind in keinem Lonely Planet Guide eingetragen: Adrenalin treibende Strassen (siehe „Höllenritt“), atemberaubende Landschaften, verlassene Strände (siehe „Punta Ninfas“), einsame Nächte unter klarem Sternenhimmel bei der mich die Sternschnuppen während dem frühmorgendlichen Pinkeln beinahe erschlagen (siehe „Observatorio Cruz del Sur“). Es ist all das was der Büroalltag in Europa nicht bietet: Ungezähmte Natur und Abenteuer pur!

Gleichzeitig ist die Reise auch entbehrungsreich, unbequem und anstrengend – was den Charme eigentlich noch vergrössert. Alle Hindernisse müssen alleine überwunden, alle Höhenpunkte verdient werden. Eigentlich bin ich ständig am Vor- oder Nachbereiten der Reise. Für Musse bleibt wenig Zeit. Entweder will Champion – mein VW Bus – neuen Kraftstoff, Schmiermittel, Ersatzteile oder ich informiere mich über den nächsten Ausflug. Der Weg ist meistens abenteuerlich, gar nicht beschildert oder nicht vorhanden. Im Gegensatz zum Pauschalreisenden kümmere ich mich selbst um Rute, Verpflegung, Eintritte, Sehenswürdigkeit und Übernachtung.

Der Lohn dafür ist unbezahlbar: Die Freiheit jederzeit und überall zu übernachten, anzuhalten, fotografieren oder einfach mit Einheimischen zu schwatzen. Als „Overlander“ erlebt man Sehenswürdigkeiten, man sieht sie nicht nur! Während Touristen noch unterwegs zu einem Vulkan sind, schläft man in, auf oder um die Sehenswürdigkeiten und spürt die unglaubliche Aura einer Naturschönheit (siehe „Allee der Vulkane“). Als „Overlander“ kann ich Sehenswürdigkeiten besuchen, die für Touristen kaum zu erreichen sind. Unvergesslich die Nacht in Kuelab, der grössten präkolumbischen Ruine Südamerikas, die die meisten Touristen nicht einmal vom Hören sagen kennen (siehe „Die Wolkenmenschen“). Unbezahlbar auch die einfachen Dinge des Lebens: Das Rauschen des Meeres während man am Strand schläft, das Beobachten von Wildtieren beim Frühstücken, das Essen eines gegrillten Steaks am einsamen Strand (siehe „Proteinsnack“), den Sonnenuntergangs am Schlafplatz in der Wüste.

Es ist ein unglaubliches Privileg all diese grandiosen Momente erleben zu dürfen und gleichzeitig steigert jeder einzelne die Vorfreude auf die selbstverständlich geglaubten Annehmlichkeiten der Heimat: Einem Zuhause und seinen Freunden!

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*Schon Camus beschreibt das Verlangen nach Heimat als augenfälligstes Ergebnis des Reisens.
**Die Vierrücktesten unter ihnen reisten noch im tiefsten Winter Richtung Ushuaia.

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